- 2023 alphabet (Teile für Welt), Neuer Kunstverein Wuppertal
alphabet (Teile für Welt), Neuer Kunstverein Wuppertal
2023
exhibtion views
photos: Andre Germar
Der Kunstverein freut sich, die erste institutionelle
Einzelausstellung von Nico Pachali „alphabet (Teile für Welt)“ zeigen zu
können. Die Werke des in Hannover und Viersen lebenden Künstlers (*1988) entstehen
in seiner Auseinandersetzung mit dem Potenzial von Schrift, Sprache, Raum, Zeichnung
und Skulptur.
Der Anfang von Nico Pachalis Werken
liegt in der Zeichnung. Mit Zeichnung ist das Zeichnen von Schrift gemeint und
das Schraffieren, mit Linien Rhythmisieren, Notieren, Kommentieren oder
Skizzieren. Der Künstler setzt Schrift auf verschiedene Weisen ein – er
schreibt nicht „einfach“.Die Schrift ist Material seiner
forschenden Praxis. Er nutzt die Eigenschaften von Schrift als Schriftsprache, die
Inhalt ergibt und als Schriftbild, welches formal durch die Art und Anordnung
ihrer Zeichen entsteht. Er rhythmisiert den Raum des Papiers mit Schrift, füllt
Flächen und übergeht dabei die Regeln der Text- und Bildgestaltung. Er untersucht,
wie die verschiedenen Elemente, Zeichen und Schrift, Linien und Fläche zueinander
und zum Raum des Papiers verhalten und wie sich die Sprache in diesem
Zusammenhang verhält.Für Pachali ist die Schrift zudem ein Analysewerkzeug.
Er skizziert bereits existierende Werke oder nutzt gedruckte Fotos dieser,
macht Notizen oder Verweise und reflektiert damit das bisherige Vorgehen. Die
Schrift ist Medium der Analyse aber bleibt weiterhin zeichnerisches Material. Bei
beiden Ansätzen bleibt die inhaltliche und formale Ebene gleichwertig.Zuletzt ist das Dekonstruieren und Konstruieren
von Schrift bzw. ihren Zeichen Teil seiner zeichnerischen Praxis geworden. Mit
diesem Ansatz öffnet sich die Schrift weiter für ein formales Verstehen. Nico
Pachali schafft eine eigene Sprache, bei der die Rhythmisierung von Raum und
das Verhalten von Formen zueinander und zum Raum des Papiers in den Vordergrund
tritt.
Grundsätzlich wird Schrift linear
gelesen. Auch wenn im Lesevorgang innerhalb einer Satzkonstruktion Begriffe und
Zusammenhänge erfasst werden können, ergibt Schrift nur in ihrem nacheinander
sprachlichen Sinn. In Pachalis Zeichnungen tritt die
Linearität von Schrift in den Hintergrund. Die Konformität zu unserem
Sprachsystem verliert an Relevanz. Unterschiedliche Inhalte existieren simultan,
was die Zeichnungen zu einem komplexen und vielschichtigen Dokument macht.Pachalis Zeichnungen sind gleichzeitig
Forschungswerkzeug und gesammeltes Material seiner Forschung. Eindrücklich ist,
wie Pachali mit den Zeichnungen im Weiteren umgeht. Einige Zeichnungen bearbeitet
er, indem er sie zerschneidet und faltet. Geknickt und wellig verlassen sie das
Eindimensionale des Papiers und ragen in den Raum.Andere Zeichnungen treten aus dem Fokus.
Sie werden von Objekten, in denen sie lagern, verpackt. Die Zeichnungen
„beleben“ die Objekte, die Pachali selbst klebt und schneidet. Sie geben ihnen
Inhalt. Umgekehrt verleihen die Objekte den Zeichnungen in dieser Form von
Sammlung Volumen.Das Sammeln und zuordnen ist eine
menschliche Praxis. Oft können erst durch sammeln und zuordnen bestimmt
Zusammenhänge verstanden werden. In den Wissenschaften ist das Sammeln von
Daten der erste Schritt, um Wissen zu erlangen.
Pachalis Werke sind gleichzeitig
Forschung und gesammeltes Material seiner Forschung. Er forscht in einer Welt,
in der Schrift, Sprache und Raum uneingeschränkte Formen annehmen können. Durch
das reflexive und vor allem selbstreflexive Verfahren verdichtet er seine Werke
immer weiter, während sie im Einzelnen kontinuierlich Teil eines Prozesses
bleiben. Pachalis Ziel ist es nicht, Antworten zu bekommen, sondern im Prozess
der künstlerischen Forschung immer wieder neue Fragen aufzuwerfen und zu
bearbeiten.
Lisa Thiele, Kuratorin Neuer
Kunstverein Wuppertal
2023